Politik

"Dachte, der spinnt" – das Geständnis in der Kurz-Causa

Thomas Schmid belastet Sebastian Kurz in 15 Einvernahmen massiv. "Heute" liegt das Protokoll seiner Lebensbeichte vor. Die wichtigsten Punkte:

Heute Redaktion
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    Thomas Schmid belastet Sebastian Kurz in 15 Einvernahmen massiv.
    Thomas Schmid belastet Sebastian Kurz in 15 Einvernahmen massiv.
    Screenshot/ HEUTE

    Graz, 21.6.2022 – an diesem Tag dürfte das Schicksal von Sebastian Kurz in der steirischen Hauptstadt eine entscheidende Wendung genommen haben. Der Mastermind in der Chat-Affäre, Thomas Schmid, war in einer regelrechten Geheim-Aktion in die Außenstelle der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) gekommen, um eine Lebensbeichte abzulegen. Nicht einmal sein Anwalt Thomas Kralik ("ist über meine Aussagebereitschaft nicht in Kenntnis") wusste Bescheid. Was er in 15 streng-geheimen Einvernahmen offenlegte, lässt die Ära Kurz und ihr Ende in einem völlig anderen Licht dastehen – und wird ziemlich sicher österreichische Gerichte beschäftigen.

    "Dinge getan, die nicht in Ordnung waren"

    Bisher legten Auszüge aus 300.000 wiederhergestellten Chat-Nachrichten von Thomas Schmids Telefon Postenschacher-Vorwürfe nahe – nun gibt er sie zu und möchte Kronzeugen-Status erlangen.

    Seinen Sinneswandel erklärt Schmid so: "Ich habe beschlossen, einen neuen Weg zu gehen und einen Schlussstrich zu machen. Ich habe begonnen die ganze Sache aufzuarbeiten." Er sagt auch: "Wir haben Dinge getan, die nicht in Ordnung waren." Ein wesentlicher Baustein am Weg dorthin wäre seine Mutter gewesen: "Sie hat mir gesagt, wir haben dich nicht so erzogen. Wenn du etwas falsch gemacht hast, dann steh dazu und das mit allen Konsequenzen."

    Bilderstrecke: Thomas Schmid bei Geheimverhören

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      Ex-ÖBAG-Boss Thomas Schmid (hier rechts im Bild mit Haube) kommt mit seinem Anwalt zur Einvernahme.
      Ex-ÖBAG-Boss Thomas Schmid (hier rechts im Bild mit Haube) kommt mit seinem Anwalt zur Einvernahme.
      "Heute"/Helmut Graf

      "Sollte Schuld auf mich nehmen"

      Ein weiterer Grund für sein "Auspacken" war offenbar dann auch ein letztes persönliches Treffen mit Altkanzler Sebastian Kurz nach den Hausdurchsuchungen bei der ÖVP und im Kanzleramt im Oktober 2021. "Er hat mich angerufen und mir gesagt, ich müsse jetzt eine schriftliche Stellungnahme abgeben, wonach er nichts von all diesen verfahrensgegenständlichen Vorwürfen wisse und ich die ganze Schuld auf mich nehmen solle", wird Thomas Schmid im Einvernahme-Protokoll, das er unterzeichnet hat, zitiert.

      Kurz hatte Angst vor Wanzen

      Kurz habe insistiert, man habe ein Treffen vereinbart, es kam dazu – in der politischen Akademie der ÖVP in Wien-Meidling. Kurz kam mit Chauffeur, die beiden sprachen alleine – das Misstrauen war wechselseitig groß. Finanzminister Gernot Blümel teilte Schmid vor der Zusammenkunft mit, "dass Kurz ihn angerufen und gefragt habe, ob ich verwanzt sei".

      ➤ Im Gespräch hätte es laut dem ehemaligen Generalsekretär im Finanzministerium zwei Schlüsselsätze gegeben, "nach denen ich mir gedacht habe, 'der spinnt'." Demnach soll Kurz vehement gefordert haben, ihm das "Kastl" herauszugeben – damit waren Schmids Chats und das Backup gemeint. Als Grund gab Kurz offenbar an, sich ab jetzt persönlich um "die Chats zu kümmern", weil "sonst das ganze Land den Bach hinunter gehen" würde. Der Druck auf Schmid wurde dann durch Kurz' engste Berater intensiviert, schließlich übermittelte er alles (auf einem USB-Stick, Anm.) dem damaligen Kabinettschef im Kanzleramt, Bernhard Bonelli.

      Schmid zum Beinschab/ÖSTERREICH-Tool: "Ich habe dieses Tool für Kurz umgesetzt."

      ➤ Ein Schmid-Geständnis gibt es auch in der Umfrage-Manipulationscausa um die Markforscherin Sabine Beinschab, die Umfragen der Tageszeitung "ÖSTERREICH" innerhalb der Schwankungsbreite manipuliert haben soll. Schmid sagt: "Die im Akt dargestellte Verdachtslage trifft im Wesentlichen zu." Schmid kündigt weitere Details an.

      Kanal-Betreiber Wolfgang Fellner
      Kanal-Betreiber Wolfgang Fellner
      Georg Hochmuth, Foltin Jindrich/apa/picturedesk ("Heute"-Montage)

      Das Beinschab/ÖSTERREICH-Tool

      Und liefert sogleich: "Mir ist ganz wichtig zu betonen, dass ich dieses Tool nur deswegen umgesetzt habe, weil ich von Kurz den Auftrag bekommen habe. Ich habe dieses Tool für Kurz umgesetzt. Es war auch ganz klar, dass diese Umfragen durch Studien, die das Finanzministerium bei Karmasin in Auftrag gibt, finanziert werden sollen. Es ist wichtig den Hintergrund zu sehen: Kurz war zu diesem Zeitpunkt nicht Parteiobmann und konnte das nicht über die Partei finanzieren und organisieren."

      Kanal-Betreiber Wolfgang Fellner (ÖSTERREICH/oe24.tv) und sein Bruder sollen die Umfragen über Inserate finanziert bekommen haben. Die beiden haben das bisher vital dementiert. Schmid belastet die beiden jedoch neuerlich massivst. 

      Auch René Benko im Visier

      ➤ Ins Visier der Justiz ist auch Immo-Tycoon René Benko geraten: Er soll für Steuerdeals Thomas Schmid einen Job um 300.000 Euro Basisgehalt plus 300.000 Euro extra als Bonus plus Dienstwagen angeboten haben. Schmid berichtet in seiner Einvernahme von gleich mehreren Treffen mit Benko, sei es beim Skifahren in Lech oder in einer Wohnung von René Benko in Wien.

      Die Ermittlungen der Wirtschaftskorruptionsstaatsanwaltschaft laufen indes weiter. Erst am Dienstag gab es – wie berichtet – zwei Hausdurchsuchungen. Für alle genannten Personen gilt die Unschuldsvermutung.

      Das ist die Causa Thomas Schmid
      Thomas Schmid galt als einer der engsten Verbündeten von Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP). Seit 2015 war er Generalsekretär im Finanzministerium, wo er bereits seit 2013 als Kabinettschef tätig war. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) wirft dem Manager u.a. vor, dass er einen mit Steuergeld finanzierten illegalen Inserate- und Umfragendeal mit der Mediengruppe "Österreich" abgeschlossen habe. Durch fingierte und frisierte Umfragen soll der damalige Außenminister Sebastian Kurz in der Öffentlichkeit besonders gut und die damalige ÖVP-Spitze – Vizekanzler Reinhold Mitterlehner – besonders schlecht dargestellt worden sein. Als oberstes Ziel dürfte der politische Erfolg von Sebastian Kurz ausgegeben worden sein.
      Im April 2019 wurde Schmid dann zum Alleinvorstand der neuen Staatsholding Öbag bestellt. Nur wenige Wochen später wurde dann das Ibiza-Video, welches das Polit-Aus für den damaligen Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) und das Ende der türkis-blauen Koalition bedeutete, veröffentlicht. Schmid löschte sein Handy – Ermittler fanden allerdings Monate später ein Backup.
      2021 wurden dann die kompromittierenden Chats öffentlich. In letzter Konsequenz bedeuteten sie das Aus für Sebastian Kurz. Schmid gilt als Beschuldigter in der ÖVP-Korruptionsaffäre. Ihm selbst wird Untreue und Bestechlichkeit zur Last gelegt – es gilt wie für alle Beteiligten die Unschuldsvermutung. Den anderen 45 Beschuldigten, es handelt sich um natürliche Personen und Verbände, werden zudem falsche Beweisaussage, Missbrauch der Amtsgewalt, Bestechlichkeit, Bestechung und die Verletzung der Amtsgeheimnisse vorgeworfen. 

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